Die sozialdarwinistische Racketbande Zentrum Automobil stellt sich mit Ausleseprinzipien auf die Seite der Stärkeren und bekämpft das Impfen - die Gesundheit des Proletariat spielt keine Rolle | Nur wer das Corona-Virus ohne Impfen überlebt ist so scheint es der richtige Deutsche für den Volkskrieg im Impfstreik
Kampagne für die Superspreader
Es ist kein Geheimnis, dass Nazis und Faschisten in Krisensituationen auf einen Unmutsausbruch der Massen spekulieren, der sie an die Macht bringen soll. Derzeit versuchen sie es mit dem Thema Impfen. Extrem rechte Akteure wie das Blog PI-News, das Magazin Compact, die Kleinstpartei »Freie Sachsen« und die, so die Eigenbezeichnung, »alternative Gewerkschaft« Zentrum Automobil e. V. haben die Kampagne »Impfstreik« lanciert. Insbesondere die Pseudogewerkschaft sieht darin eine Chance, ihren Einfluss zu erweitern.
Ihr Vorsitzender Oliver Hilburger, in Nazikreisen als ehemaliger Leadgitarrist der Rechtsrockband »Noie Werte« geschätzt, fabuliert gar von einem Generalstreik, der dafür sorgen müsse, »dass in der gesamten Gesellschaft die Mitte und die Normalität wieder Einzug erhält«. Sein Verein hat bereits Erfahrung darin, sich in Betrieben und Belegschaften zu verankern. Seit 2010 erobern die Rechtsextremen immer wieder Sitze in den Betriebsräten des Konzerns Daimler.
Betriebsräte in Kliniken tun sich derzeit schwer damit, deutlich und öffentlich zu den Themen Impfen und Impfpflicht Stellung zu nehmen.
Da von März bis Mai dieses Jahres bundesweit sämtliche Betriebsräte neu gewählt werden, sehen die Rechtsextremen ihre Chance, sich in der aufgeheizten gesellschaftlichen Stimmung auch außerhalb der Automobilindustrie zu etablieren. Dafür werben sie offensiv Mitglieder »in allen Branchen«, sammeln Interessierte auf diversen Kanälen des Instant-Messaging-Diensts Telegram und bieten Hilfe bei Kandidaturen an. Dabei betreiben sie keine offen rechte Propaganda, sondern versuchen, durchgehend den Anschein zu erwecken, es gehe ihnen lediglich um »alternative Betriebsräte«. Zentraler Aufhänger ihrer Wahlkampagne ist die berufsbezogene Impfpflicht. Am meisten Zuspruch, behauptet Hilburger, erhalte er derzeit aus dem Gesundheitswesen.
In wenigen Betrieben staut sich seit Jahrzehnten so viel Unmut und Frust bei den Beschäftigten wie in den Kliniken. Chronischer Personalmangel, Unterbezahlung und steigender Arbeitsdruck sind Folgen einer Politik, die Krankenhäuser als lästige Kostenfaktoren behandelt, an denen gespart werden müsse. Wenig überraschend sind spätestens seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie sehr viele Ärztinnen und Pfleger am Ende ihrer Kräfte. Auch von ihnen glauben einige an Verschwörungserzählungen, und das verschärft die Lage weiter.
Einer aktuellen Umfrage des Robert-Koch-Instituts zufolge sind rund acht Prozent des Krankenhauspersonals nicht vollständig geimpft, von Klinikbetriebsräten hört man teils deutlich höhere Zahlen. Dass sich nun bis zum 15. März alle Beschäftigten im Gesundheitswesen impfen lassen müssen, heizt die Stimmung weiter an. Zwar zeichnet sich eine lasche Handhabung der Impfpflicht ab. Die Gesundheitsämter müssten eigentlich Beschäftigungsverbote verhängen, sind aber ohnehin hoffnungslos überlastet. Damit die Versorgung nicht kollabiert, bleibt einer inkonsequenten und unverantwortlichen Gesundheitspolitik auch kaum anderes übrig, als ungeimpftes Personal an den Betten zu tolerieren. Doch allein die Ankündigung der Impfpflicht dürfte bei nicht wenigen Beschäftigten in den Kliniken für noch mehr Unmut gesorgt haben.
In vielen Tageszeitungen erschienen in den vergangenen Wochen haufenweise Stellengesuche von »ungeimpften Krankenschwestern« und auf den Demonstrationen der »Querdenken«-Bewegung trugen auffallend viele Teilnehmende Pflegekittel. Für Montag, den 28. Februar, rufen unter anderem Zentrum Automobil und Compact zu einem ersten »Fünf-Minuten-Impfstreik« auf: »Treten Sie in Kliniken, Heimen und Praxen für fünf Minuten ans Fenster, trinken Sie eine Tasse Kaffee oder rauchen Sie eine Zigarette, winken Sie hinaus. Auf der Straße davor werden sich Ihre Unterstützer aus der Bevölkerung zeigen«, heißt es im Aufruf. Pflegekräfte sollen so für die absurde und verantwortungslose Kampagne einer vorgeblichen Gewerkschaft eingespannt werden, obwohl die sich überhaupt nicht um deren tatsächliche Probleme kümmert. Als in Berlin die Beschäftigten an der Charité und beim landeseigenen Krankenhauskonzern Vivantes im vergangenen Jahr für mehr Personal und gegen die zu hohe Arbeitsbelastung streikten, hatten die rechten »Gewerkschafter« nicht einmal eine Solidaritätserklärung für sie übrig.
So wie die »Querdenken«-Bewegung insgesamt den politischen Interessenkampf ad absurdum führt – statt etwa ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Krise zu fordern, bekämpft man selbst noch die geringsten Maßnahmen des Gesundheitsschutzes –, ist auch die Idee eines »Impfstreiks« eine Art Realsatire des Gewerkschaftsgedankens. Verschwörungsphantasien verkehren Interessenvertretung in ihr Gegenteil. Trotzdem fallen sie bei manchen Beschäftigten auf fruchtbaren Boden.
Gewerkschaften und Betriebsräte stehen vor einem echten Problem. Soll man, zumal vor Betriebsratswahlen, einem nicht unerheblichen Teil der Belegschaft zu verstehen geben, dass er auf dem falschen Trip ist? Schließlich ist man auf Wahlstimmen und Mitglieder angewiesen, und zudem könnte man damit womöglich einen Erfolg rechter Pseudogewerkschaften erst provozieren. Entsprechend schwer tun sich Betriebsräte in Kliniken derzeit damit, deutlich und öffentlich zu den Themen Impfen und Impfpflicht Stellung zu nehmen. Denn für die Entlassung ungeimpfter Kollegen können Gewerkschafter schlecht eintreten. Doch andererseits dient die Impfpflicht neben dem Schutz der Patientinnen auch dem Arbeitsschutz.
Nicht nur im Gesundheitswesen, auch in anderen Branchen sollte man das Treiben der Impfgegner aufmerksam verfolgen. Dass gewerkschaftliche Erfolge in Bezug auf den Gesundheitsschutz möglich sind, bewiesen die Gewerkschaften Verdi und Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die für die Zivilbeschäftigten der Stationierungsstreitkräfte eine Impfprämie von 100 Euro durchgesetzt haben. »Das ist als Dankeschön für alle gedacht, die bereits durch die Impfung zum Gesundheitsschutz beitragen«, sagt die Gewerkschaftssekretärin Kathrin Birner vom Verdi-Bezirk Oberpfalz im Gespräch mit der Jungle World, »und als Anreiz für diejenigen, die sich noch nicht impfen haben lassen.«
Kommentare
Kommentar veröffentlichen